Die Pest ….

st2…. war auf Krawall gebürstet. Manchmal hatte sie solche Tage. Sie folgten häufig ihren melancholischen Phasen.
Was fiel diesen armseligen Würmern von Menschlein eigentlich ein, ständig auf ihr herumzuhacken?! Schließlich erfüllte sie seit Jahrhunderten ihre naturgegebene Aufgabe, klaglos, gewissenhaft und ohne Ansehen der Person. Dabei nicht nur auf Verständnis oder gar Anerkennung verzichten zu müssen, sondern stattdessen ohne Unterlass beschimpft und geschmäht zu werden, das spottete nun wirklich jeder Beschreibung und durfte einfach nicht länger hingenommen werden.
Der Zorn brannte so heftig in ihr, dass sie am liebsten die gesamte Menschheit mit einem gewaltigen Wischen Ihres schwarzen Mantels hinweggefegt hätte.

Aber das ging nicht. Es gab die „Quote“, eine genaue Festlegung, wie viele Menschen welchen Alters und Geschlechts sie zu welchen Zeiten vom Leben zum Tode zu bringen hatte.
Nun gut, dann musste es eben anders gehen. Man schrieb schließlich das 21. Jahrhundert. Die Menschenrechte waren seit langem schon fast überall auf der Welt in Kraft – auf diese konnte sie sich allerdings schlecht berufen. Aber in den letzten Jahrzehnten hatten sich solch interessante Dinge entwickelt wie „political correctness“, Minderheitenschutz und Diskriminierungsverbot.
Wenn mittlerweile jeder Käfer im Regenwald unter Schutz stand, politisch korrekt behandelt und geschlechtsneutral angesprochen werden musste, dann sollte doch wohl eine solch bedeutsame Instanz wie der Schwarze Tod allemal den Schutz dieser gesellschaftspolitischen Entwicklungen beanspruchen können!
Wie war vorzugehen? Wahrscheinlich musste sie ja Anzeige erstatten. Was war wohl der richtige Ort dafür? Eine Polizeiwache? Oder gab es Stellen bei den Gerichten, die solche Anzeigen wegen Beleidigung, übler Nachrede und Diskriminierung aufnahmen? Alles nicht unproblematisch, war doch eine gewisse körperliche Nähe der Menschen zu ihr diesen in der Regel nicht zuträglich. Ihr Erscheinen bei Gericht würde alle Anwesenden niederstrecken, bevor auch nur eine einzige Zeile ihrer Anzeige aufgenommen wäre.
Eine Anzeige per Telefon, Fax oder dieses neumodische Instrument e-mail war wahrscheinlich nicht möglich. Diese Amtsmenschen gaben sich in der Regel äußerst umständlich, bestanden auf persönlicher Anwesenheit und Papiere mussten in 3-facher Ausfertigung eigenhändig unterschrieben werden.
Es war zum Auswachsen, wieder einmal typisch! Auch hier war es offensichtlich so eingerichtet, daß ihr Anerkennung und Schutz verwehrt wurden und es keinen Weg gab, die ihr zustehenden Rechte wahrzunehmen!

Durch eine gewaltige Detonation wurde die Pest aus ihren finsteren Gedanken gerissen. Sie war gerade in orientalischen Landen unterwegs, offensichtlich war einer von diesen Wahnsinnigen mit seinem Auto in die Luft geflogen. Anscheinend allerdings viel zu früh, hier draußen gab es weit und breit niemanden, der hätte mit in die Luft fliegen können.
„Tja, schlampige Arbeit!“ Die Pest lächelte schadenfroh und ihre Laune besserte sich.